Überall begegnest du ihnen. Sie
starren dich an, mustern dich, als wärst du hier nicht richtig, als
entsprächst du nicht ihren Vorgaben, als gehörtest du aussortiert.
Falsche Gesellschaft.
Oder sie lächeln dich an, nicken dir
zu, als seid ihr schon seit Jahren Nachbarn, die sich nichts zu sagen
brauchen um zu wissen, dass der andere einen guten Morgen wünscht.
Sie lachen, wenn du ihrer kleinen Tochter auf ihr nachgeäfftes
„Hallo!“ freundlich antwortest. Sie bedanken sich, wenn du ihrem
Hund mit dem Rad ausweichst. Sie haben immer ein Lächeln im Gesicht.
Und es gibt stumme Gesichter.
Gesichter, die aussehen, als seien sie garnicht da. Sie schotten sich
ab. Tunnelblick. Manche sehen dich sogar an, wenn du ihren Blick
suchst. Unverwandt. Ohne Leben. Tote Gesichter. Oder zumindest
kaputt, abgearbeitet müde. Vielleicht auch wirklich uninteressiert,
in ihrer eigenen Welt gefangen, abgeschottet, zuhause.
Manche sieht man täglich, denkt immer
die gleichen Gedanken über sie.
Manche sah man bloß einmal und doch
denkt man immer und immer wieder an sie.
Manche hat man ewig nicht gesehen und
man vermisst sie, vielleicht sogar ohne die Person selbst zu
vermissen; denn manche Gesichter haben eine Ausstrahlung, die gut
tut.
Und es gibt Gesichter die belanglos
sind, die sich vielleicht gerade fragen, warum man nicht zurück
gelächelt, nicht gegrüßt hat.
Zu jedem Gesicht gehört ein Kopf,
Gehirn, ein Körper, Bewegungen, Abläufe, Routine.
Hinter jedem Gesicht steckt eine
Geschichte, ein Leben, Emotionen, Gedanken, Einkaufs- und
To-do-Listen, die Mathearbeit von morgen, der gestorbene Nachbarhund
von gestern und der schwere Rucksack von heute.
Nimm's ihnen nicht übel und überleg
selbst einmal, wie du anderen Gesichtern auf der Straße begegnest.
Unterscheidest du? Teilst du in Kategorien? Achtest du auf ihren
Umgang mit der Umwelt, oder ist dir diese ebenso egal und unwichtig,
wenn du dich auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Sportverein
befindest?
Eigentlich ist es nicht wichtig, wie du
dich verhältst. Nicht wichtig, welches Gesicht du bist. Aber
vielleicht prägst du dich bei dem ein oder anderen ein und bringst
ihn zum nachdenken.
P.S: Besonders in Erinnerung an Eva, die irgendwo auf dem Frankfurter (am Main) Hbf arbeiten muss... .
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen