Donnerstag, 30. August 2012

Gesichter

Überall begegnest du ihnen. Sie starren dich an, mustern dich, als wärst du hier nicht richtig, als entsprächst du nicht ihren Vorgaben, als gehörtest du aussortiert. Falsche Gesellschaft.
Oder sie lächeln dich an, nicken dir zu, als seid ihr schon seit Jahren Nachbarn, die sich nichts zu sagen brauchen um zu wissen, dass der andere einen guten Morgen wünscht. Sie lachen, wenn du ihrer kleinen Tochter auf ihr nachgeäfftes „Hallo!“ freundlich antwortest. Sie bedanken sich, wenn du ihrem Hund mit dem Rad ausweichst. Sie haben immer ein Lächeln im Gesicht.
Und es gibt stumme Gesichter. Gesichter, die aussehen, als seien sie garnicht da. Sie schotten sich ab. Tunnelblick. Manche sehen dich sogar an, wenn du ihren Blick suchst. Unverwandt. Ohne Leben. Tote Gesichter. Oder zumindest kaputt, abgearbeitet müde. Vielleicht auch wirklich uninteressiert, in ihrer eigenen Welt gefangen, abgeschottet, zuhause.

Manche sieht man täglich, denkt immer die gleichen Gedanken über sie.
Manche sah man bloß einmal und doch denkt man immer und immer wieder an sie.
Manche hat man ewig nicht gesehen und man vermisst sie, vielleicht sogar ohne die Person selbst zu vermissen; denn manche Gesichter haben eine Ausstrahlung, die gut tut.
Und es gibt Gesichter die belanglos sind, die sich vielleicht gerade fragen, warum man nicht zurück gelächelt, nicht gegrüßt hat.

Zu jedem Gesicht gehört ein Kopf, Gehirn, ein Körper, Bewegungen, Abläufe, Routine.
Hinter jedem Gesicht steckt eine Geschichte, ein Leben, Emotionen, Gedanken, Einkaufs- und To-do-Listen, die Mathearbeit von morgen, der gestorbene Nachbarhund von gestern und der schwere Rucksack von heute.

Nimm's ihnen nicht übel und überleg selbst einmal, wie du anderen Gesichtern auf der Straße begegnest. Unterscheidest du? Teilst du in Kategorien? Achtest du auf ihren Umgang mit der Umwelt, oder ist dir diese ebenso egal und unwichtig, wenn du dich auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Sportverein befindest?
Eigentlich ist es nicht wichtig, wie du dich verhältst. Nicht wichtig, welches Gesicht du bist. Aber vielleicht prägst du dich bei dem ein oder anderen ein und bringst ihn zum nachdenken. 

P.S: Besonders in Erinnerung an Eva, die irgendwo auf dem Frankfurter (am Main) Hbf arbeiten muss... .

Montag, 13. August 2012

Hinterhofgeräusche

Es ist Vormittag. Die Sonne steht schon recht weit oben und lässt die Sonnenseite des Innenhofes leuchten. Auf der gegenüberliegenden Seite zeigen sich helle, neue, neben alten Fassaden im Schatten. Ich frage mich, ob sie jemals das Licht der Sonne erblicken. An Balkonen wehen Tücher und Wäschestücke im Wind, überall Tarps, die gegen die Sonne schützen sollen. Blumenkübel und -kästen, sowie Lichterketten zieren die kleinen Käfige, die überall an den Fassaden kleben. Ich sitze in einem dieser idyllischen Lichtblicke und lausche den Tönen der Großstadt und denen des, wie ein Kessel hallenden, Hinterhofes. Irgendwo renoviert jemand seine Wohnung, sodass der Schall an den Wänden des Hofes abprallt und sich zu vermehren scheint. Eine Waschmaschine schleudert gerade, ein Windspiel klimpert munter vor sich hin, das Baby aus der Nachbarwohnung gibt munter glucksende Laute von sich. Flügelschlagen: schon wieder ein Vogel, den ich zwar gehört, aber von dem ich nicht mehr als seinen Schatten gesehen habe.
Von weitem klingt die Schiffshupe an mein Ohr heran, dann ein Hubschrauber und gelegentlich eine Sirene.
Und immer wieder übertönen Kreissäge und Bohrmaschine das Rauschen des Windes, das leise Rascheln gegeneinander peitschender Blätter und die vielen anderen Geräusche, die das Ruhen hier gemütlich machen. Ich seufze. Mein Tee ist kalt geworden.
Drinnen hör ich das Klappern von Tellern und Geschirr, der Wasserkocher rauscht, jemand macht Frühstück. Ich nicke ein letztes mal Sessel und Blumenkübeln zu und tappse Barfuß zurück in die Wohnung. Frühstück.