Doch er ist schmutzig. Verdreckt vom
Staub der Welt. Durch den Schlamm gezogen. Ich bevorzuge das reine
Weiß im Garten. Doch in den nächsten Tagen wird er sich in Schlamm
verwandeln. Ich höre ihn bereits schmilzen. Überall tropft,
knackst, knirscht und gluckert es. Die Decke bricht auf, verschwindet
langsam und bringt die kaputte, jahrtausendalte Erde zum Vorschein.
Zerschlissen von Zeit und Menschenhand. Und doch so robust und
beständig wie nichts sonst was wir kennen. Sie besteht immer weiter.
Bleibt in ihrem altbekannten Rhythmus. Hier zu Lande bedeutet das den
regelmäßigen Wechsel von einem erwachenden Frühling, aktiven
Sommer, sterbenden Herbst und ruhenden Winter. Der Winter ruht nicht
länger, er kommt in Bewegung und auch ich möchte wieder laufen.
Raus an die Luft. Genug Winterfreuden (und für manche auch Leiden)
sind gelebt und werden zur Vergangenheit. Der Frühling zeigt sich
noch lange nicht, aber der Winter verliert an eisiger Kälte und
Frost. Ein einsamer Geselle über den viel geurteilt wird. Zwischen
lebensfroher Überschwänglichkeit und herzensharter Stille bewegt er
sich unauffällig oder aufbrausend. Er sagt uns langsam tschüss. Mag
nicht mehr die fluchenden Autofahrer in seinen Ohren ertragen müssen.
Ist müde von den vielen jubelnden Kinderschreien und dass ständig
auf ihm herum getrampelt wird.
Ich möchte ihn ein letztes Mal
genießen. Ihn auf meine Art verabschieden.
Dieses Jahr hat er mich nicht krank ins
Bett geschickt. Wir haben uns nach diesem, Jahre andauernden, Streit
versöhnt. Ich war wieder Kind auf dem sausenden Schlitten, bei
hitzigen Schneeballschlachten, beim Erstellen von Schneeengeln in
Jeans und beim Tanzen durch die Flocken und mit ihnen. Ein wenig
älter bei Spaziergängen durch die Zauberlandschaft und einfach
glücklich beim Anblick.
Ein Zeichen für Friede: Weiß, wie die
Taube. Klare Luft, keine Schadstoffe mehr, die mich belasten:
Freiheit! Freiheit zu tun was man will. Wieder Kind zu sein oder sich
zu ärgern wie die Erwachsenen. Schlittschuhlaufen oder sich über
blaue Flecke vom Hinfallen ärgern. Eisige Verrücktheit. Ein Stück
Leben, ein Stück lebendiges ich. Glücklich und frei, wenn ich mich
dazu entscheide. Manchmal einfach ein Blick in die unvollkommene (vom
Schnee beleuchtete) Dunkelheit, beim warmen Tee, in der warmen Stube.
Gemütlichkeit. Adventswarten, Weihnachtsfreuden und Silvesterträume,
gefolgt von Neujahrschaos. Alles wird neu und altes vergeht.
Es heißt also: „Winter adé!“ Ein
letztes Mal spaziere ich durch die geräuschvolle Kulisse, laufe,
renne, hüpfe durch die Winterluft. Dieses Mal bin ich nicht dick
eingehüllt in Mantel, Mütze und Schal. Dieses Mal fassen meine
Hände ungeschützt durch das kühle Nass. Dieses Mal sind meine Füße
dem Schnee ausgeliefert. Der dicke Zeh berührt vorsichtig die weißen
Teppich. Ein Schritt, noch ein Schritt. Barfuß tapse ich wie eine
Katze leise über Watte. Eine weiche, feste Masse lässt meine Füße
erstarren. Bewegung! Ich renne die Gartenfurche entlang. Springen!
Ich klettere auf das Trampolin und lasse mich vom Wind in die Luft
hinauf und wieder runter wehen. Er will mich mitziehen. Meine Haare
wehen, tanzen, fliegen, hüllen mich ein. Ein paar letzte Schritte
durch den Begleiter der letzten Wochen. Er hat seine Mission erfüllt,
und ich die meine, lang geplante, endlich erfüllte:
Mission „Barfuß durch den Schnee“
erfolgreich ausgeführt.
Grüße von dem verrückten Mädchen.
P.S: Meine Meinung zum Wetter:
„Sonnenschein ist köstlich, Regen
erfrischt, Wind kräftigt, Schnee erheitert. Es gibt kein schlechtes
Wetter, es gibt nur verschiedene Arten von gutem.“ (John Ruskin )
Hgra :)
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