Donnerstag, 12. Dezember 2013

Straßendosen - eine Beobachtung

Ich verlasse die Bahn, "zurücktreten bitte" nuschelt ein Schaffner, oder so ähnlich?! So genau weiß das eigentlich keiner. Nicht sehr motiviert der Typ. Die Rolltreppe fährt mich vorbei an Ballettaufführungen, Kongressen und Messen, sowie Werbung für eine Krankenkasse und eine regionale Bank.
In dem lebendigen S-Bahnhof sitzen Obdachlose in kleinen Gruppen an den Wänden und unterhalten sich. Ein Betrunkener, der nur eine Handlänge von einem weiteren ärmlich gekleideten steht, nuschelt besoffen im Dialekt: "Du muscht mich irgendwann mal umbringe...". Ein Mann mit Hund ist eingeschlafen - ein Passant weckt ihn um ihm Geld zu geben. Verwirrende Nächstenliebe?! Wieder eine Rolltreppe. Keine Plakate. Dafür ein älteres Ehepaar, das offensichtlich mit ihrem dreijähigen Enkelsohn auf den Weihnachtsmarkt will und an seiner Kleidung rumzuppelt. - Ist der kleine denn auch warm genug angezogen? Ich muss unwillkürlich grinsen. Da ist sie: die frische Luft. Mein Ziel? Irgendwo geradeaus und dann rechts abbiegen, auf der rechten Straßenseite. Zeit? Knapp!
Ich lege einen Schnellschritt ein, der, abgesehen von deutlichen Temposenkungen auf Grund der Menschenmassen, keine Unterbrechungen duldet. Ein beinloser Mann schlurft über den Boden und hält den Menschen seine Dose unter die Kniekehlen. Überall an den Straßenrändern Frauen und Männer mit Bechern und Dosen in bittender Haltung: Kniend, mit gefalteten Händen. Dahinter festlich dekorierte Schaufenster, teure potentielle Weihnachtsgeschenke. Vor einem Glühweinstand steht jemand unaufhörlich klingelnd im Weihnachtsmannkostüm. Ein älterer Herr drückt mir ein christliches Weihnachtsgedicht in die Hand, ich lächel ihn schnell an - hat er das überhaupt gesehen? Ich laufe weiter. Schnellschritt. Nur durch, durch diesen Rummel. Eine südländisch begabte Band mit einem kleinen Jungen als Eye-Catcher beschallt zehn Quadratmeter Straße. Über dieses Stück kommen sie auf Grund der Lautstärke nicht hinaus. Zehn Meter weiter auf der Gegenüberliegenden Straßenseite eine Band, die traditionelle Weihnachtsstücke spielt: Posaune, was noch? Ich weiß es schon nicht mehr, aber zwischen den Bands der Verkäufer einer Straßenzeitung, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Unterstützenswert. Aber ich laufe weiter. Kurz möchte ich umdrehen, mich entschuldigen: "Ich will ja kaufen, aber... - ja was, aber? Keine Zeit? - Ehm ich also...nein, ich war nicht bei der Bank: In meinem Portemonaie befinden sich gerade 25 Cent und eine Bankkarte." Richtig! Denke ich. "Najaaaa ich könnte auch zur nächsten Bank laufen oder später eine kaufen." Weiter denke ich nicht darüber nach, zu utopisch das ganze, ich bin ja schon vorbei, denk nicht darüber nach, dass "später" um Mitternacht sein wird und kein Zeitungsverkäufer mehr auf der Straße stehen wird. Da ist sie: Die Ecke. Vor mir: der Weihanchtsmarkt. Noch lauter, pompös, überfüllt. Ich biege ab. Hier ist es stiller, leerer. Nur kurz vor meinem Ziel ein einsamer Junge. Vielleicht 15 Jahre alt: mit Becher in den gefalteten Händen, schaut kurz auf, aber lässt mich vorbei ziehen.
Als ich das Gebäude erreiche empfängt mich Wärme, Ruhe und Filmmusik: Paris, Straße, Marktstände, Akkordeon! Ich selbst bleibe unruhig. Diese Großsstadt macht mich kirre. Wenn ich jedem Mensch mit Dose in der Hand etwas gebe, dann habe ich am Ende EINER Straße kein Geld mehr auf der Bank. Aber reicht diese Entschuldigung aus um NICHTS zu tun?
Ich weiß es nicht.
Oder ist es das,  was am meisten mit Weihnachten zu tun hat (?!) Ein kleines bedürftiges Kind kommt im Dreck zur Welt. Die ausgegrenzten ("Ausländer" und der "unterste Bildungsstand") kommen um es zu sehen...

Ein weiterer Gedankenanstoß dazu von einem Poetryslammer:
"Der Obdachlose Gott"

Schreibt mir gerne eure Meinung oder unterstützenswerte Projekte die ihr in dem Bereich kennt!
Danke fürs Lesen!
Eure Nora

P.S: Bitte sucht in diesem Post keine eindeutigen Antworten oder Statements. Dies stellt nur eine Beobachtung meiner Umgebung und meiner Selbst dar.





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